[1] weißer oder brauner Zucker, der an (gezwirnten) Fäden brockenweise auskristallisiert ist
Herkunft
Der Begriff »Kandis« entstammt ursprünglich altindisch (mittelindisch ) ‚(ein) Zucker‘, das seinerseits wohl eine Ableitung von einem älteren khanda- ‚Gebrochenes, Teil, Stück‘ ist. Er erscheint etwa im 4. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung, also zu der Zeit, als es den Indern als ersten gelang, Zucker aus eingekochtem Zuckerrohrsaft herzustellen.❬ref name="Unger122"❭, Seite 122.❬/ref❭❬ref❭Sylvia Powels: Zur Etymologie des Wortes „Zucker“ und seiner Verwendung bei den Indern, Persern und Arabern. In: Marcel Erdal, Werner Arnold, Martin Maiden, Yaron Matras, with the editorial assistance of Ingeborg Hauenschild (Hrsg.): Mediterranean Language Review. Ausgabe 4–5, Harrassowitz, Wiesbaden 1989, ISBN 978-3-447-08739-1, Seite 12f.❬/ref❭
Die Araber, die den Zucker ab dem 7. Jahrhundert durch Perser und Inder kennenlernten, übernahmen das indische Wort in der Form ❬ref name="Lane"❭, Seite 2567. (Online abrufbar unter http://www.studyquran.org/LaneLexicon/Volume7/V7.zip [236.2MB]).❬/ref❭ als Bezeichnung für eine Zuckerart (einigen Quellen zufolge ‚Zuckerrohr❬ref name="Kluge"❭, Seite 465.❬/ref❭; Rohrzucker❬ref name="Lane"/❭❬ref name="Kluge"/❭❬ref name="Osman"❭Nabil Osman (Hrsg.): Kleines Lexikon deutscher Wörter arabischer Herkunft. C.H. Beck, München 1982, ISBN 3-406-08835-X, Seite 63.❬/ref❭❬ref name="Pfeifer"❭, Seite 614.❬/ref❭‘).❬ref name="Unger122"/❭ Dabei ist es ungeklärt, ob das arabischeWort jemals die Bedeutung ‚Kandis‘ gehabt hatte, da die übliche Bezeichnung für »Kandiszucker« wie es scheint das für die Mitte des 10. Jahrhundert belegte ❬ref❭C. Barbier de Meynard, Pavet de Courteille (Hrsg.): al-Masʿūdī (Maçoudi): Kitāb Murūǧ aḏ-ḏahab. Band VII, Paris 1861–77, Seite 170. (Online abrufbar unter http://www.archive.org/stream/lesprairiesdor07masuuoft#page/170/mode/2up).❬/ref❭ (auch ❬ref❭, Stichwort »«, Seite 581 sowie Stichwort »«, Seite 1059.❬/ref❭ oder ❬ref❭, Stichwort »«, Seite 2754. (Online abrufbar unter http://www.studyquran.org/LaneLexicon/Volume8/V8.zip [246.7MB]).❬/ref❭) gewesen war, in der wohl auch bildlich die Herstellung des Kandiszucker konnotiert ist: durch langsames Wachsen der Kristalle aus einer konzentrierten Zuckerlösung.❬ref name="Unger122"/❭
Ab dem 11. Jahrhundert wurde der Zucker der Araber in Europa allmählich eingeführt, wobei auch einige der arabischen Bezeichnungen für Zuckerarten übernommen wurden.❬ref name="Unger122–123"❭, Seite 122–123.❬/ref❭ In einer vermutlich aus dem 13. Jahrhundert stammenden Schrift für Augenheilkunde wird nabet-Pulver mit altprovenzalischsuccre candi (aus Alexandria) wiedergegeben; Mitte des 13. Jahrhunderts sind altfranzösischsucre candi beim Arzt Aldobrandino von Siena und ab Ende des 14. Jahrhunderts italienischchandi sowie zahlreiche mittellateinische Formen wie succurum candidum , succurcandi ❬ref name="Kluge2"❭, Stichwort »Zuckerkand(el)«, Seite 1017.❬/ref❭ und so weiter belegt.❬ref name="Unger122–123"/❭ Die zumeist auftretende Endung-i wird oft auf ein arabisches Adjektivqandī zurückgeführt, welches jedoch nirgends bezeugt ist.❬ref name="Unger122–123"/❭ Es kann daher gut möglich sein, das die Form auf ein mittellateinisches Genitiv-i zurückgeht.❬ref name="Unger122–123"/❭ Ebenso könnten volksetymologische Anlehnungen an lateinischcandidus ‚weiß‘ und ab Mitte des 15. Jahrhunderts an Candia , dem venezianischen Namen für Kreta (wohl aus arabisch ❬ref❭, Stichwort »«, Seite 366.❬/ref❭), als eine der Herkunftsregionen mitgewirkt haben.❬ref name="Unger122–123"/❭ Im Deutschen ist das Wort ab dem 15. Jahrhundert in verschiedenen frühneuhochdeutschen Formen wie zocker candith❬ref name="Pfeifer"/❭, zuckerkandi(t)❬ref name="Kluge2"/❭ und so weiter bezeugt, die, dem Importweg entsprechend, auch noch von italienischzucchero candito zucchero candíto (Ende des 15. Jahrhunderts) beeinflusst sein könnten.❬ref name="Unger122–123"/❭
Etwa ab dem 13. Jahrhundert scheint das Wort die Bedeutung ‚Kandis‘ erhalten zu haben; in Valencia gab es angeblich um 1250 ein Verbot, Talismane (siehe »Talisman«) oder sucre candi vor Gericht mitzubringen: Wie es scheint wurde Kandiszucker wegen seiner Ähnlichkeit zu Edelsteinen, denen magische Kräfte zugesprochen wurden, geschätzt. Die Tatsache, das die Kristalle des Kandiszuckers umso durchsichtiger werden, je reiner der Zucker ist, dürfte seine Wertschätzung ebenfalls gesteigert haben: Der Botaniker Hieronymus Bock kritisierte um 1550, wie viele Humanisten, die Verwendung der teuren Drogen und Gewürze aus dem Orient (siehe »Sandelholz«) und empfahl deshalb als Arznei statt des „frembden … Zucker[s]“ generell den „guten … Teutschen Honig“; am „Zucker Candi / Candum / oder Candidum“ wollte er aber ausdrücklich festhalten.❬ref❭, Seite 123.❬/ref❭
Der deutsch-schweizerische Arzt Paracelsus entwickelte aus diesen frühneuhochdeutschen Formen für »Kandis« um 1526 das Verbkandiren, um das Auskristallisieren einer Zuckerlösung zu bezeichnen.❬ref name="Unger123–124"❭, Seite 123–124.❬/ref❭❬ref❭Karl-Heinz Weimann: Paracelsus und der deutsche Wortschatz. In: Ludwig Erich Schmitt (Hrsg.): Deutsche Wortforschung in europäischen Bezügen. Band 2, Schmitz, Gießen 1963, Seite 394.❬/ref❭ Etwa dieselbe Bedeutung hat auch das wohl unabhängig davon aus französischcandi entstandene Verb candir (1595).❬ref name="Unger123–124"/❭ Es hat den Anschein, dass die moderne Wortbedeutung, die ein mit ziemlicher Gewissheit von den Arabern übernommenes Verfahren bezeichnet – und zwar Früchte und anderes in einer konzentrierten Zuckerlösung mit Zucker zu überziehen, um sie zu konservieren (vergleiche »Sirup«) – erstmals 1682 in dem neuhochdeutschen Verb candiren belegt ist; aus candisiren, einer Nebenform, entstand dann vermutlich die neuhochdeutsche Form »Kandis« (ab 1715) mit auslautendem -s.❬ref name="Unger123–124"/❭ In Anlehnung an candiren ist der Konditor (aus lateinischcondire ‚einmachen, würzen‘) übrigens im 18. Jahrhundert gelegentlich auch Kanditor genannt worden❬ref❭❬/ref❭.❬ref name="Unger123–124"/❭
[1] „Gourmets mischen den Stoff in aromatische Suppen oder (in der Pfanne) unter Kandis, backen Hasch-Plätzchen, Hasch-Florentiner oder gar eine Haschisch-Schokoladentorte.“❬ref❭❬/ref❭
[1] „Das ‚Kopje mit´n Kluntje un Room drin‘ (Täßchen Tee mit Kandis und Rahm) ist hier das Symbol einer rauhbeinig-charmanten Gastfreundschaft. ‚Nach alter friesischer Tradition übergießt man zuerst das obligatorische Stückchen Kandis mit dem heißen Tee und legt dann den Rahm obenauf‘, erklärt die Wirtin einer Konditorei in Wyk auf Föhr.“❬ref❭❬/ref❭
[1] „Das fertige Produkt war kein zu Tode raffinierter Süßstoff, sondern honigfarbener Kandis.“❬ref❭❬/ref❭
[1] „Für Zucker ist auch gesorgt: Es gibt Würfelzucker, Kandis, einen Zuckerstreuer und Süßstoff.“❬ref❭❬/ref❭